Dienstag 11. November 2025

Zwischen Stärke und Verletzlichkeit – stoic mind über Zweifel, Mut und sein Debütalbum

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Manche Alben entstehen nicht auf dem Reißbrett, sondern in stillen Momenten. Genau so ist es bei „to know what I’m scared of“, dem Debüt von stoic mind, dem Alter Ego des Kölner Singer-Songwriters Kilian Bungert.

Es ist ein Album, das in langen Nächten gereift ist – ehrlich, reduziert, verletzlich. Statt lautem Pathos gibt es intime Songs voller Fragen, voller Suchbewegungen, voller Momente, in denen Selbstzweifel zu Begleitern werden. Zwischen Folk, Country, Indie und Singer-Songwriter-Tradition erschafft stoic mind eine Klangwelt, die zum Innehalten einlädt – und die gleichzeitig den Mut feiert, loszulassen.

Wir haben mit Kilian über Zweifel, Aufbrüche und die Magie des Unperfekten gesprochen.

Kilian, dein Debütalbum wirkt unglaublich intim und persönlich. Erinnerst du dich noch an den Moment, an dem dir klar wurde: Jetzt ist es Zeit, diese Songs in die Welt zu lassen?

Es war weniger ein klarer Moment, mehr ein leises Gefühl, das immer stärker wurde, je mehr ich mit Menschen über meinen Traum eines „Soloalbums“ sprach, ihnen meine Demos zeigte und darin bestärkt wurde, es endlich voran zu treiben. Ich konnte es eigentlich nicht mehr ignorieren. Viele der Songs habe ich jahrelang mit mir herumgetragen, ohne zu glauben, dass sie „fertig“ genug sind. Irgendwann habe ich verstanden, dass es bei all dem gar nicht um Perfektion geht, sondern darum, ehrlich zu zeigen, wo ich stehe – mit all den Zweifeln und Brüchen. Das war der Punkt, an dem ich wusste: Jetzt müssen sie raus und jetzt bin ich bereit dafür. 

„to know what i’m scared of“ klingt wie eine Einladung in deine Gedankenwelt. Welche Ängste oder Fragen haben dich beim Schreiben am meisten begleitet?

Mich hat vor allem die Frage umtrieben, was bleibt, wenn man sich von alten Mustern oder Sicherheiten löst. Ich habe viel über Verunsicherung, über Selbstzweifel und über den Sinn hinter bestimmten Entscheidungen nachgedacht. Die Angst, nicht gut genug zu sein, ist ein ständiger Begleiter – aber auch die Angst davor, Chancen nicht zu ergreifen. Diese Spannungen fließen in die Songs mit ein.

Du hast dir mit „stoic mind“ ein Alter Ego geschaffen. Inwiefern hilft dir dieser Name, Dinge auszudrücken, die Kilian Bungert vielleicht nicht so leicht sagen würde?

Der Name ist wie ein Schutzraum. Er erlaubt mir, Dinge auszusprechen, die ich sonst vielleicht für mich behalten würde. „stoic mind“ bedeutet für mich, einen Ort zu schaffen, an dem Verletzlichkeit und Stärke nebeneinander existieren dürfen. Als Kilian würde ich mich manchmal hinter Rationalität und Realismus verstecken. In diesem Alter Ego habe ich gelernt, dass auch Unsicherheit und Offenheit ihren Wert haben.

Deine Songs sind reduziert, ehrlich und fast roh. Wie gehst du im Studio mit der Balance zwischen Intimität und Perfektion um?

Ich versuche, nicht (mehr) zu sehr nach Perfektion zu greifen. Das ist ja auch verrückt – auf der einen Seite in Selbstzweifeln unterzugehen und auf der anderen Seite die Perfektion anzustreben.
Ich habe gelernt mein Können, so wie es ist, zu nehmen und zu nutzen – ohne Wertung.
Wenn ein Take nicht makellos ist, aber dafür die Emotion trägt, dann ist er für mich mehr wert als zehn perfekt gespielte Spuren. Wenn ich etwas nicht so spielen kann, wie ich es gerne spielen können würde, dann lasse ich los davon. Ich sehe ein Studio nicht als Ort, an dem man Fehler versteckt, sondern als Raum, in dem etwas Echtes entstehen darf. Manchmal heißt das auch, Dinge bewusst ungeschliffen zu lassen. Ehrlicherweise bin ich mit einer vollkommen anderen Haltung in die Produktion des Albums gestartet und wurde hier über den Prozess und die Zeit vor allen Dingen von meinem Produzenten Sebastian Kuhlmey fast schon coachend herangeführt. 

Die Single „see what you don’t see“ hat bereits viele berührt. Kannst du uns erzählen, was hinter diesem Song steckt?

Puh. Der Song ist wie ein Spiegel für die Kämpfe, die man nicht immer von außen sieht. Es geht um Narben, die nicht jeder erkennt, und um die Müdigkeit, die sich über Jahre ansammelt. Aber gleichzeitig steckt darin auch Hoffnung – das Wissen, dass selbst Wunden irgendwann zu Geschichten werden, die uns stärker machen. Es ist einer der Songs, in denen sich meine Zweifel und mein Wunsch nach Zuversicht am deutlichsten begegnen. Macht das Sinn? (Haha)

„The Boat“ klingt nach Aufbruch, vielleicht auch nach Abschied. Welche Geschichte wolltest du hier erzählen?

„the boat“ ist vor allen Dingen ein Bild für das Warten. Das Warten auf etwas, das vielleicht nie kommt. Es geht um die Erwartungen, die wir an das Leben stellen, und wie diese uns manchmal lähmen. Ich habe mich gefragt: Was, wenn man sein Leben lang auf ein Schiff wartet, von dem man glaubt, dass es dich an einen Ort bringt, an dem alles besser ist (was auch immer das ist). Und selbst wenn dieses Schiff dort liegt, sind wir gelähmt, weil uns dieses nachdenken und Erwartungen erzeugen gar nicht sehen lässt, welche Möglichkeiten vor uns liegen.
Der Song ist mein Versuch, diesen Stillstand zu vertonen – und gleichzeitig den Mut, trotzdem loszulassen.

Musikalisch bewegst du dich zwischen Folk, Country, Indie und Pop. Fühlst du dich einem Genre besonders verbunden oder ist es genau diese Offenheit, die stoic mind ausmacht.

Ich glaube nicht, dass ich in einem Genre ganz zuhause bin. Mich reizt es, Elemente zu mischen und so etwas Eigenes entstehen zu lassen. Auf diesem Album bin ich mal mehr Folk, mal mehr Indie oder fast schon Pop, manchmal auch Country. Wichtig ist für mich nicht die Schublade, sondern dass die Musik ehrlich klingt und die richtige Stimmung transportiert. Wenn ich mir das Album, so wie es ist, anhöre, dann spiegelt es sehr gut und authentisch wider, wer stoic mind ist. 

Deine Musik wirkt manchmal fragil, manchmal sehr kraftvoll. Welche Rolle spielt Verletzlichkeit in deinem Songwriting?

Verletzlichkeit ist wahrscheinlich die wichtigste Grundlage. Ich kann nur dann schreiben, wenn ich mich traue, mich selbst zu zeigen – auch die unsicheren Seiten. Gleichzeitig steckt in dieser Offenheit eine große Kraft. Ein Song kann fragil klingen, aber trotzdem unglaublich stark sein, weil er etwas ausspricht, das man sonst nie sagen würde.

Du hast mit Freund:innen zusammengearbeitet, die das Album zum Leben erweckt haben. Wie wichtig war dieses Kollektiv für das Endergebnis?

Ohne diese Menschen wäre das Album nicht das, was es ist und wäre ich auch nicht der Künstler und Mensch der ich bin. Ich bin hier vor allen Dingen Sebastian, Helge, Marco und Dan so unfassbar dankbar. Ich habe zwar alle Songs alleine geschrieben, aber erst durch die Arbeit mit ihnen haben sie ihre volle Form und teilweise vollkommen neue Facetten gefunden. Es war für mich unglaublich wertvoll zu erleben, wie andere Menschen meine Ideen aufgenommen und weitergedacht haben. Das hat dem Ganzen eine Tiefe gegeben, die ich allein nie erreicht und mir zum Beginn der Produktionen auch nicht vorgestellt hätte.
Das Kollektiv ist darüber hinaus natürlich noch viel viel größer und mir ist es auch wichtig, diesen Gedanken stärker am Leben zu halten, denn das, was stoic mind sein soll, ist eine Verbindung aus vielen Kreativen mit Talenten die sich ergänzen und etwas wunderschönen Erschaffen.

Deine Live-Termine stehen schon in den Startlöchern. Was dürfen die Menschen von einem stoic mind-Konzert erwarten – eine intime Wohnzimmer-Atmosphäre oder doch eine größere Wucht?

Es wird wahrscheinlich häufiger die intime Solo-Variante geben – fast wie ein Gespräch zwischen mir und dem Publikum. Mit Band entsteht eine größere Energie, die die Songs noch einmal anders trägt, aber das ist organisatorisch unfassbar schwierig zwischen Köln und Berlin zu managen. Die Vision haben wir alle, die Mittel aktuell leider weniger. Aber egal in welchem Setting – es geht mir darum, Momente zu schaffen, die ehrlich und nah sind.

Ein herzliches Dankeschön an Kilian Bungert aka stoic mind für dieses offene und berührende Gespräch. Wir gratulieren dir zu deinem Debütalbum „to know what I’m scared of“ (VÖ: 10.10.2025 via Rookie Records) und wünschen dir, dass es viele Menschen dort draußen erreicht – gerade in stillen Momenten, in denen Musik wie deine den Unterschied macht. Alles Gute für die kommenden Konzerte und die Reise, die jetzt erst richtig beginnt. ✨🎶 CK 

BILD © Jan Barthel https://janbarthel.com/

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