Freitag 29. März 2024

Bülent Ceylan: Die Meisterschaft eines Comedy-Virtuosen

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Bülent Ceylans Anfänge vor 20 Jahren sind an diesem 28. April 2018 für ihn selbst nur noch ein Schatten. Diese Abende, die in einem kleinen Café im Quadrat Q7 vor ein paar Dutzend Fans mit einem Getränk als Lohn begannen – und doch die Saat einer großen Karriere werden sollten. Denn wie sich das Quadrat Q7 in einen Tempel des Einzelhandels verwandelte, entwickelte sich auch der Mannemer Bu vom Klein- zum Großkünstler, der es auf geniale, weil virtuose Art und Weise verstand, die harten Kontraste zwischen den Kulturen zum heiteren Stoff für Lach-Enthusiasten zu gestalten – und damit die Herzen eines zunehmend größeren Publikums für sich einnahm. Dass der Emporkömmling aus der Quadratestadt heute mit eigenen Kinofilmen glänzt und in auserwählter Regelmäßigkeit im Fernsehen zu sehen ist: Die Zierde einer Laufbahn, die schon früh ihren Lauf nahm. Schon in „Produzier‘ mich net“ spürt man die Wurzeln des Selbstironikers, in Programmen wie „Döner for one“ und „Halb getürkt“ setzte sie sich progressiv fort. Dabei war die Furchtlosigkeit des heute 42-Jährigen immer treibendes Markenzeichen, denn wo andernorts auf kleinen und großen Bühnen die Angst vor der Skandalisierung herrschte, stand hier der selbsternannte „professionelle Depp“ auf den Brettern, die die Welt bedeuten – gemacht um zu sagen, wozu ihm gerade der Schnabel gewachsen war.

Deshalb sind zweieinhalb Stunden „Lassmalache“ in der Mannheimer SAP Arena nicht nur der Imperativ eines Heimspiels, den der Mannemer Halbtürk trotz Krankheit genüsslich auskostet: Sie sind die Meisterschaft eines Mannheimer Traums, der weit über seine eigenen Vorstellungskräfte hinauswuchs. Wo immer man in den 140 Minuten dieses Abends hinblickt oder hinhört: Gerade in den Details steckt hier noch immer der Lausbub Bülent Ceylan, der sich bisweilen selbst nicht beherrschen kann und laut loslachen muss. Dem es ein Fest ist, sein Publikum losgelöst zu sehen. Und für den der Ausruf „Vor dem Witz sind alle gleich“ eine echte Maxime ist.

Entsprechend tollkühn-selbstgewiss stürzt Ceylan sich erst einmal selbst in  das kalte Nass es Experiments – und reüssiert. Der Bühnenausstattung des Abends gerecht, die zwischen Zirkuszelt und Staatsoper stilvoll variiert, improvisiert Ceylan satte 20 Minuten über das Lachen, findet dabei vom Heidelberger High Society-Lachen bis hin zum Botox-Lachen auf dem roten Teppich grandiose Beispiele der Lachkultur und ist sich dabei doch im Klaren: „Leute, ich lache wie ein Schwein – und des als Türk. Mehr Integration geht net.“
Die grandiose, oft fast überkochende Stimmung in einer restlos ausverkauften Arena hat Bülent Ceylan da längst auf seiner Seite und lässt sich davon sichtlich tragen – auch, weil er weiß, dass er es kann. Was wie selbstverständlich anmutet, ist dabei ein ungeschriebenes Abkommen zwischen Ceylans krassen Pointen und dem Publikum, das seinen offenen Mut nie als Offensive gegen nationale oder religiöse Kulturen missverstanden hat. Ob „Hänsel und Gretel“ im Erdogan-Style da mal schnell zu „Hassan und Gülcan“ umgedichtet wird, über die Länge von Fortpflanzungsgeniatlien gerätselt werden darf, oder der „Lachende Meter“ zu einer tüchtigen Portion Lach-Yoga animiert: Der Humor dieses Mannheimer Originals ist so allumfassend, dass er zum Fest wird.

Das zahlt selbstverständlich auch auf den Kult von Ceylans Figuren ein. Denn auch, wenn Harald nicht so richtig seine Mitte findet, Anneliese  ihre liebe Not mit dem heißgeliebten Quietschen hat und Mompfreed mit dem Flammenwerfer die halbe Arena in Schutt und Asche legt: Der Kult seiner Figuren lebt, ohne sich dabei selbst zu überzeichnen.
Die Variation zwischen dem echten Bülent, der im Dinner Jacket mit „Ohne Euch“ eine berührende Ode auf sein Publikum singt und dem Wandlungsmagier der Figurenkunde, der in seinem jüngsten Programm von der „beleidigten Leberwurst“ Erdogan bis hin zum Adolf mit „SS-Störung“ sämtliche Diktatoren dieser Zeit in seiner Selbsthilfegruppe vereint, war immer ein Wagnis – doch gleichsam auch ein Sieg über die vermeintlich engen Grenzen der Stand Up-Comedy, die Ceylan souverän sprengte. 20 ausverkaufte Shows in der SAP Arena bei 20 Jahren Karriere sind mehr als ein Zeugnis, sondern ein Meilenstein dieses Erfolgs. Möge er noch lange anhalten.

Fotos © by Boris Korpak / Text © by Markus Mertens

Fotostrecke:

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