Mittwoch 24. April 2024

Das Unnahbare nahbar machen

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Eigentlich begann für Achim Häfner alles ganz selbstverständlich. Denn – auf einem großen Hof mit Werkstatt und Scheune aufgewachsen – fand er auf den Straßen und Wegen rund um sein Elternhaus immer wieder junge Vögel, die aus den Nestern gefallen oder von Autos angefahren wurden, und kümmerte sich um sie. „Ich konnte natürlich nicht jedes einzelne Tier retten“, wie Häfner im Gespräch klarstellt: Aber es wäre wohl nicht zu viel behauptet, klarzustellen, dass es Dutzende von gefiederten Freunden gibt, die Häfner ihr Leben verdanken. Denn nach der Schule kam der junge Achim nach Hause, fütterte die verletzten Tiere in einer selbst zusammengezimmerten Voliere und kräftigte die Tiere so weit, dass er sie wieder auswildern konnte. „Vögel waren so gesehen immer ein Teil meines Lebens“, wie Achim Häfner offenherzig berichtet – und damit ein Motto erklärt, das erst viel später in seinem Leben zu einem Prinzip werden sollte.

Denn streng genommen war Häfner die Karriere als Falkner eigentlich gar nicht in die Wiege gelegt. Der gelernte Gipser und Stuckateur hatte mitten im Rhein-Neckar-Delta seinen eigenen Betrieb, spezialisierte sich auf die Sanierung von Häusern und spricht im Interview mit dem CityGuide Rhein-Neckar stolz von einer Zeit, in der sich die Handwerker der Region in den verschiedensten Gewerken gegenseitig dabei halfen, den Traum eines eigenen Hauses in die Tat umzusetzen. Und vollkommen gleich, ob Häfner nun in Frankenthal oder Bobenheim-Roxheim lebte, waren bei den tagelangen Schichten seine Vögel und bald auch schon einige Eulenbabys seine treuen Begleiter. „Die Tiere mussten ja mehrmals am Tag gefüttert werden, die konnte ich nicht einfach alleine lassen“, wie Häfner erklärt – und dabei auch schon einen Teil des Faszinosums vorwegnimmt.

Denn wo immer der Handwerks-Profi unterwegs war, erregte er mit seinen Tieren große Aufmerksamkeit. Eine ganz entscheidende Anekdote hat Häfner beim Termin vor Ort auch gleich parat: Denn es war der Jugendhof in Haßloch, in dem Häfner immer wieder mit seinen Fähigkeiten gefragt war. Die Einrichtung der Evangelischen Stiftung der Pfalz hat sich darauf spezialisiert, verhaltensauffälligen Jugendlichen einen Ort zu bieten, an dem sie speziell und individuell betreut werden – an dem in kritischen Situationen aber auch immer wieder etwas zu Schaden kam. Und so war es einer der handwerklichen Einsätze, der für Häfner zum besonderen Augenblick werden sollte. Denn es war einer der besonders krawallbereiten jungen Männer, der den Gipser und Stuckateur in einer Mittagspause ansprach, was er denn dort für Tiere in seinem Fahrzeug habe. „Das sind meine Eulen“, erwiderte Häfner stolz. Die Bitte des jungen Mannes, den Tieren doch einmal näherkommen zu dürfen, erfüllte Häfner jedoch keineswegs sofort und stellte stattdessen eine Bedingung: Denn wenn es dem aggressiven jungen Mann gelänge, seine Ausbrüche im Zaum zu halten, dürfe er auch einmal eine Eule auf die Hand nehmen.

„Es dauerte ein paar Tage“ erinnert sich der Falkner zurück, „dann kam der ganz zahm zu mir, fragte mich noch einmal, ich gab ihm eine meiner Eulen und ich sah diese kindliche Freude in seinem Ausdruck – das war unbezahlbar.“ Es war genau dieser Augenblick, in dem Häfner klar wurde, welch therapeutische Kräfte er mit seinen Eulen weitergeben konnte – und die Evangelische Heimstiftung, die Häfner daraufhin ansprach, in immer weitere Einrichtungen zu kommen, um die Menschen dort mit seinen Tieren zu faszinieren.

Ein Wendepunkt in Häfners Leben. Denn anfänglich konnte er die ganzen Besuche in Einrichtungen für ältere oder behinderte Menschen noch mit seinem Arbeitsalltag in Einklang bringen, doch schon bald kamen so viele Anfragen, dass sich der Eulen-Liebhaber entscheiden musste: Das Handwerk oder die Eulen. Es fällt nicht schwer, nachzuvollziehen, dass und warum er sich für die Eulen entschied. Denn ob Achim Häfner fortan auf einem örtlichen Jahrmarkt mit seinen Tieren Station machte und die Menschen diesen Augenblick genossen, ein lebendiges, tief ruhiges Tier auf ihrem Lederhandschuh sitzen zu haben, oder der Hochfalkner beim Magischen Phantasie Spectaculum (MPS) in ganz Deutschland tausende von neugierigen Besuchern mit seinen Shows faszinierte: Die Magie war ungebrochen.

Zumal auch familiäre Gründe dafür sprachen – und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Denn einerseits hatten Häfners Schleiereulen Max und Moritz sowohl seinen mehrfach behinderten Bruder beruhigen als auch die demente Großmutter wieder zum Erzählen bringen können, andererseits machte der Großvater seinem Enkel klar: „Du hast nur dieses eine Leben – und wenn du das wirklich machen willst, dann pack es an!“

Das ließ sich Achim Häfner nicht zweimal sagen, gründete seine eigene Falknerei und war schnell bundesweit als „Falkner der Herzen“ bekannt. Die Gründe dafür sind fast schon offensichtlich und lohnen dennoch einer Erwähnung. Denn auch, wenn Häfner – wie andere Schau-Falkner das zum Geschäftsmodell erhoben – mit seinen Auftritten sicher viel Geld hätte machen können: Um den großen Profit ging es ihm nie, sondern vielmehr um diesen zauberhaften Moment, in dem er Menschen und Eulen zusammenbringen konnte. Zwei Kräfte, die für ihn unverkennbar zusammengehören, ob in Pflegeeinrichtungen oder betreuten Wohnheimen für Menschen mit Behinderung. Nicht umsonst begann Häfner auch bald schon, viele seiner Gelder zu spenden – ganz besonders für die Hospizarbeit des Mannheimer Kinderhospizes Sterntaler, das der Falkner seit Jahren finanziell und mit eigenen Aktionen tatkräftig unterstützt.

Wer heute den Weg ins pfälzische Bisterschied auf sich nimmt, hat demnach nicht nur die Möglichkeit, von der Kanincheneule Oskar über den sibirischen Uhu namens Frodo bis hin zum Weißkopfseeadler mehr als 40 Tiere auf dem Grundstück eines wunderschönen Hofes mit eigenem Volieren-Areal, Café und Grillstätte zu sehen – und den Tieren dabei ganz nahe zu kommen. Regelmäßig bieten Achim Häfner und seine Frau Katharina, die jüngst die administrative Leitung der Falknerei übernommen hat, auch Eulenwanderungen in der umgebenden Natur an. Bis zu 20 Personen bekommen dann eine eigene Eule auf den Handschuh und dürfen – zuvor kundig geschult – einen ausgedehnten Spaziergang in den Abend hinein bis zum nahen Sportplatz mit den Tieren machen. Wer sich dabei geschickt anstellt, kann die Tiere dann nicht nur dabei beobachten, wie sie die Natur, all ihre Geräusche und auch ihren Kumpanen für die nächsten knapp zwei Stunden betrachten, sondern den Eulen auch sanft über das Gefieder streichen und die Wärme dieser einzigartigen Tiere dabei direkt wahrnehmen. Gemeinsam mit dem schier endlosen Fachwissen, das Häfner über seine Tiere vermitteln kann, entsteht hier eine Faszination, die fast keine Grenzen mehr kennt. In jedem Fall, ein Erlebnis, das viele anschließend nie wieder vergessen.

„Das ist das Besondere daran. Ich kann dir alles über die Eulen erzählen, aber wir können nicht mit ihnen fliegen. Doch wenn wir sie direkt hier auf unserem Handschuh sitzen und uns diese Ruhe schenken, schaffe ich es, das Unnahbare nahbar zu machen.“ Eine Mission, der Häfner in seiner Branche wohl nachkommt, wie keiner sonst – und das auf die schönste denkbare Art und Weise.

@FalknerderHerzen

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Bild & Text © Markus Mertens

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