Ein Roadmovie mit dem Teufel auf dem Beifahrersitz, ein Klassiker in neuem Gewand und ein spektakuläres Live-Hörspiel-Konzert: Das Nationaltheater Mannheim meldet sich mit einer eindrucksvollen Inszenierung von Goethes „Faust“ aus der Corona-Pause zurück. In der besonderen Kulisse der CARantena Worms wurde das Publikum Zeuge eines einzigartigen Theatererlebnisses, das die Grenzen zwischen Schauspiel, Musik und Hörspiel verschmelzen ließ.
Bereits die Location selbst verlieh der Inszenierung eine unverwechselbare Atmosphäre. Die CARantena Worms, ein Autokino-Theaterformat, bot den Zuschauern die Möglichkeit, sicher und dennoch intensiv an diesem Event teilzunehmen. Aus ihren Fahrzeugen heraus konnten sie die Darbietung sowohl visuell auf der großen Leinwand als auch akustisch über das Radio verfolgen. Die spezielle Mischung aus Live-Performance und Hörspielkunst sorgte für eine immersive Erfahrung, die Goethes Drama auf eine moderne und mitreißende Weise präsentierte.
Die Adaption von „Faust“ durch Kreutzberg Irle konzentriert sich vor allem auf die frühe Fassung des „Urfaust“, in der die Sinnsuche des Titelhelden in rasendem Tempo vorangetrieben wird. Faust und Mephisto stürzen sich kopflos in eine Welt voller Versuchungen und philosophischer Abgründe – stets mit höchstem Tempo und einer Prise anarchischem Humor. Dabei blieb die Sprache Goethes weitgehend erhalten, wurde jedoch durch die lebendige Darbietung der Schauspieler in die Gegenwart geholt.
Eddie Irle, der nicht nur die Regie führte, sondern auch selbst auf der Bühne stand, bewies einmal mehr seine Vielseitigkeit. Als Faust verlieh er der Figur eine fiebrige Rastlosigkeit, die die Tragik und Verzweiflung des Suchenden eindrucksvoll transportierte. Vassilissa Reznikoff und Annemarie Brüntjen beeindruckten in ihren Rollen mit starker Präsenz, während Patrick Schnicke als Mephisto mit charismatischer Bosheit das Geschehen dominierte.
Ein weiteres Highlight der Inszenierung war das durchdachte Sounddesign von Naomi Kreutzberg, das die Live-Darbietung auf eine neue Ebene hob. Die Mischung aus Originalklängen, atmosphärischen Effekten und eigens komponierter Musik verstärkte die Dramatik der Szenen und verlieh dem Hörspiel-Konzert seine dichte, fast cineastische Stimmung. Die Zuschauer wurden in eine akustische Welt entführt, die ebenso faszinierte wie die schauspielerischen Leistungen auf der Leinwand.
Die Verbindung von traditioneller Literatur mit modernen Medien und Formaten erwies sich als voller Erfolg. „Faust“ wurde nicht nur als zeitloses Stück präsentiert, sondern auch in einen neuen, fesselnden Kontext gesetzt. Die Inszenierung von Kreutzberg Irle bewies eindrucksvoll, dass Klassiker keineswegs verstaubt sein müssen, sondern in innovativen Konzepten zu neuer Strahlkraft gelangen können.
Das Live-Hörspiel-Konzert in der CARantena Worms war nicht nur ein beeindruckendes Theaterereignis, sondern auch ein Zeichen der kulturellen Wiederbelebung nach der pandemiebedingten Stille. Das Nationaltheater Mannheim hat mit dieser mutigen und kreativen Adaption einen Nerv getroffen und gezeigt, dass Theater auch unter besonderen Umständen ein unvergessliches Erlebnis sein kann. Ein Abend, der lange in Erinnerung bleiben wird.
Text & Foto © by Boris Korpak



