Sonntag 7. Dezember 2025

Showtime zur Night Of The Proms 2025

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Die Night of the Proms ist seit nunmehr über drei Jahrzehnten ein fester Anker im europäischen Konzertkalender. Was 1994 seinen Anfang in Deutschland nahm, hat sich längst zu einem echten Kultformat entwickelt, das Jahr für Jahr ein generationenübergreifendes Publikum in seinen Bann zieht. Das Erfolgsrezept ist dabei ebenso simpel wie wirkungsvoll: Klassik und Pop begegnen sich auf Augenhöhe, ohne Berührungsängste, ohne stilistische Schranken. Genau diese Verschmelzung macht den Reiz des Formats aus. Am 02.12.2025 feierte die Tour ihre eindrucksvolle Station in der restlos ausverkauften Festhalle Frankfurt – und lieferte einen weiteren Beweis dafür, warum dieses Konzept bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat. Vor 9.300 begeisterten Zuschauerinnen und Zuschauern entfaltete sich ein Abend, der musikalische Vielfalt nicht nur versprach, sondern sie mit Nachdruck zelebrierte – emotional, kraftvoll und mit großer Tiefe.

Im Zentrum des Abends stand einmal mehr das Antwerp Philharmonic Orchestra (APO), unterstützt vom traditionsreichen Fine Fleur Chor. Unter der souveränen und zugleich leidenschaftlichen Leitung der brasilianischen Dirigentin Alexandra Arrieche verwandelte sich die Frankfurter Festhalle in einen weitgespannten Klangraum, in dem symphonische Wucht auf moderne Energie traf. Arrieche dirigiert nicht nur – sie lebt jede Bewegung, trägt die Emotionen sichtbar in den Raum, modelliert Spannungsbögen mit großer Intensität und spürbarer Hingabe. Diese Unmittelbarkeit übertrug sich vom ersten Takt an direkt auf das Publikum.

Ein Auftakt, der keine Fragen offenließ

Der Beginn mit einem opulenten Medley aus „The Greatest Showman“, gesungen von Solist Rob und getragen vom vollbesetzten Orchester, war alles andere als ein vorsichtiges Herantasten. Es war ein kraftvolles Signal: Die Night of the Proms 2025 setzt auf große Gefühle, große Gesten und große musikalische Bilder. Schon in den ersten Minuten war klar, dass dieser Abend keine Kompromisse machen würde – weder in der Lautstärke noch in der Emotionalität.

Kaum verklungen, gehörte die Bühne bereits dem ersten internationalen Star des Abends: Joss Stone. Mit ihrer unverwechselbaren Soul-Stimme – rau, warm und voller Seele – füllte sie die riesige Halle mühelos aus. „Right to Be Wrong“ verwandelte sich in eine orchestrale Soulhymne von beinahe filmischer Intensität, während „You Had Me“ mit Groove, Dynamik und emotionaler Direktheit überzeugte. Das Zusammenspiel aus Stones Stimme und den fließenden, farbenreichen Orchesterflächen zeigte exemplarisch, wie die Proms Popmusik in neue Dimensionen hebt.

Klassik als emotionales Zentrum

Ein erster klassischer Höhepunkt folgte mit Mozarts „Lacrimosa“ und „Dies Irae“. Was in vielen Konzertformaten als Zwischenspiel dienen würde, wurde hier zu einem eigenen dramaturgischen Kapitel. Der Chor spannte einen düsteren, erhabenen Klangbogen, das Orchester entfaltete eine mächtige, fast körperlich spürbare Dramatik. In der sonst von Rock und Pop geprägten Festhalle kehrte für Minuten andächtige Stille ein – ein Moment des kollektiven Innehaltens, der die transformative Kraft klassischer Musik eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Midge Ure und die melancholische Eleganz der 80er

Mit Midge Ure betrat anschließend eine Ikone der 1980er-Jahre die Bühne. „Dancing With Tears in My Eyes“ gewann durch das Orchester zusätzliche emotionale Tiefe und Dringlichkeit. „Breathe“ wirkte fast intim, beinahe zurückgenommen – ein bemerkenswerter Kontrast in der großen Halle. Der unangefochtene Höhepunkt seines Sets war jedoch „Vienna“: Ures klare, getragen-melancholische Stimme, die weiten orchestralen Linien und die dichte Atmosphäre verschmolzen zu einem jener Momente, die sich dauerhaft im Gedächtnis verankern.

Rhythmus, Ekstase und ein Percussion-Gewitter

Nach der ruhigen, elegant dahinziehenden Barcarole des APO verwandelte sich die Bühne schlagartig in ein brodelndes Kraftzentrum. Safri Duo entfesselten mit ihrer Tribal-Percussion einen wahren Sturm aus Rhythmus und Energie. „Cinema Time“ und „Played-A-Live 2025“ steigerten sich zu ekstatischen Höhepunkten, bei denen das Orchester nicht nur begleitete, sondern integraler Bestandteil der rhythmischen Wucht wurde. Eine tanzbare Version von „Carol of the Bells“ im elektronischen Gewand sowie das antreibende „The Cave“ sorgten für Festival-Atmosphäre mitten in der Festhalle. Hier verschmolzen Klassik, Dance und Tribal-Sounds zu einem neuen, elektrisierenden Klangbild.

Vanessa Amorosi – Stimme, Power und Proms-DNA

Mit Vanessa Amorosi bekam der Abend erneut eine völlig andere Klangfarbe. Die australische Sängerin überzeugte mit kraftvoller Stimme und großer emotionaler Bandbreite. „Light My Fire“ brannte lichterloh, während „Absolutely Everybody“ endgültig die ganze Halle in Bewegung brachte. Spätestens bei „Music“ von John Miles – dem inoffiziellen Herzstück der Proms – wurde die emotionale Verbindung zwischen Bühne und Publikum greifbar. Amorosi interpretierte den Klassiker mit großer Ehrfurcht, viel Seele und spürbarer Leidenschaft.

Um 21:15 Uhr verabschiedete sich die Show in eine Pause – eine willkommene Gelegenheit zum Durchatmen nach diesen intensiven ersten 90 Minuten.


Zweite Hälfte: Von Operngesang bis Rock-Ikonen

Den zweiten Teil eröffnete ein klassischer Ruhepol: „Va pensiero“ aus Verdis Nabucco. Das Antwerp Philharmonic Orchestra entfaltete einen warmen, würdevollen Klang, getragen von tiefen Streichern und dem homogen eingebetteten Chor.

Michael Schulte – Moderne Pop-Emotion mit Tiefe

Mit Michael Schulte zog eine zeitgenössische Pop-Note in die Show ein. „Falling Apart“, „You Let Me Walk Alone“ und „Back to the Start“ wirkten durch das orchestrale Arrangement größer, weiter und emotionaler als in ihren Originalfassungen. Besonders seine ESC-Ballade berührte mit ihrer ehrlichen, unverstellten Emotionalität und gewann durch die symphonische Begleitung eine neue Intensität.

Klangmalerei und rhythmische Kontraste

Smetanas „Die Moldau“ entführte das Publikum anschließend auf eine musikalische Reise durch Landschaften, Strömungen und Stimmungen. Direkt im Anschluss brachte Safri Duo erneut Bewegung und Puls zurück in die Halle. Der „Marionetten“-Trauermarsch setzte darauf einen düsteren, beinahe schicksalhaften Kontrapunkt – ein gelungenes Spiel mit Gegensätzen.

Die Duette – Wenn Welten verschmelzen

In „Ordinary“ fanden Joss Stone und Michael Schulte überraschend harmonisch zusammen. Unterschiedliche Stimmfarben verbanden sich zu einem dichten, gefühlvollen Duett.
Gemeinsam mit Vanessa Amorosi zündete Stone anschließend bei „It’s Raining Men“ und „Lady Marmalade“ ein wahres vokales Feuerwerk. Zwei starke Persönlichkeiten, zwei kraftvolle Stimmen – getragen von purem Jubel im Publikum.

Das APO setzte mit Tschaikowskis „Romeo & Juliet“ erneut ein hochdramatisches klassisches Ausrufezeichen.


Alice Cooper – Der Schock-Rocker trifft die Symphonie

Als die Lichter sich verdunkelten, war die Spannung mit Händen zu greifen. Alice Cooper betrat gemeinsam mit seiner Frau Sheryl Goddard, Tommy Henriksen und der virtuosen Gitarristin Nita Strauss die Bühne. Theatralischer Rock, ikonische Riffs und die majestätische Kraft des Orchesters verschmolzen zu einer außergewöhnlichen Symbiose.
„Only Women Bleed“ erhielt durch die Streicher eine fast schmerzhafte Schönheit, „Might As Well Be On Mars“ baute eine dichte, atmosphärische Spannung auf, bevor „School’s Out“ schließlich in einem ausgelassenen Rock-Finale gipfelte. Hier vereinten sich Bühne, Orchester und Publikum zu einem einzigen, gewaltigen Klangkörper.

Finale: Come Together

Zum großen Abschluss versammelten sich noch einmal alle Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne. „Come Together“ in einer rock-symphonischen Version wurde zur perfekten Quintessenz dieses Abends: Gemeinschaft, musikalische Grenzüberschreitung und pure Spielfreude.

Die Night of the Proms 2025 in Frankfurt war weit mehr als nur ein Konzert. Es war ein emotionaler, dreistündiger Streifzug durch Klassik, Pop, Rock, Soul und moderne Rhythmen – getragen von einem Orchester, das mühelos alle stilistischen Brücken schlug. Dieser Abend in der Festhalle war ein triumphaler Beweis dafür, warum die Night of the Proms seit Jahrzehnten zu den faszinierendsten und erfolgreichsten Crossover-Formaten Europas zählt.

Text und Bilder by Jan Heesch

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