Der Mensch bleibt stets geneigt zu hoffen,
wenn Änderungen alles dreh’n,
der Ausgang ist wie immer offen.
Wie wird das Jahr? Wir werden’s seh’n.
Eugen Balanskat, 24.12.2022
EMOTIONALE WUCHT
DIE SKEPTIKER, 1986 in Ost-Berlin gegründet, spielten und spielen energetischen,
elektrisierenden und euphorisierenden Punkrock mit klugen deutschen Texten. Konstante und einzig verbliebener Skeptiker der Gründungsformation ist der Sänger und Texter EUGEN BALANSKAT.
Über Mitgliederwechsel und eine Bandpause (2000-2006), Alben und Touren, Fährnisse des Lebens und gesellschaftlichen Wandel hinweg ist eines sicher: Die Band und ihr Sänger haben von ihrer emotionalen Wucht nichts verloren!
ALLES AUF ANFANG
2023 – DIE SKEPTIKER touren durch das Land („Alles auf Anfang“-Tour); „Frühe Werke“ erscheint erstmals als Vinyl-Doppelalbum (farbige Einmalpressung auf rot-schwarz-marmoriertem Vinyl, streng limitiert auf 500 Einheiten, fix ausverkauft); nach 33 Jahren gibt es den ersten Longplayer „Harte Zeiten“ wieder auf CD. Zuvor wurde im Dezember 2021 das fulminante „Geburtstagsalbum. Live Festsaal Kreuzberg 2019“, ein Live-Konzert zum 35-jährigen Bandjubiläum, samt DVD veröffentlicht: Es feiert live die alten wie neuen Lieder von den ersten Aufnahmen bis zum letzten Album ab. Wie bei jedem Konzert der Band zeigt sich: Die Klassiker der frühen Tage sind frisch und gültig, die neuen Werke knüpfen nahtlos daran an. Wir hören Eugen Balanskat und seinen markanten Tenor-Gesang mit kraftvollem jugendlichem Zorn. Hart und schnell im Rhythmus, ernst
und politisch im Auftreten, lyrisch und intelligent im Text – bis heute Punkrock mit Stil und der unvergleichlichen Stimme des charismatischen Caruso-Punks Eugen B.
Der Skeptiker Eugen B
Innenfrost
Label: eubala records
VÖ: 01.09.2023
Genre: Rock
Bei iTunes kaufen
INNENFROST
2023 – DER SKEPTIKER EUGEN B gründet sein eigenes Label eubala records und
veröffentlicht sein Solo-Debüt. Ein Doppelalbum! „Innenfrost“ heißt es – wie der 2019
publizierte erste Gedichtband von Eugen Balanskat. Es setzt sich aus zwei sehr
verschiedenen Scheiben zusammen – einem Rockalbum (eubala records 001) und einem
Symphonic Album (eubala records 002), die auf Vinyl getrennt erscheinen, auf CD (eubala
records 003) aber vereint sind.
„ANDERS ALS DIE SKEPTIKER-SACHEN, DAS SOLL ABER AUCH SO SEIN.“
Ganz klar unterscheiden sich die beiden Scheiben mit ihren insgesamt 21 neuen Songs vom Werk der Skeptiker – sowohl in Klangfarbe und Genre, Instrumentierung und Orchestrierung als auch in den Lyrics. Ein Skeptiker-Album im Solo-Gewand darf nicht erwartet werden!
Weniger Punkrock, dafür mehr Rock, Duette und Klavierballaden sowie Stücke mit Orchester statt Band: von krachend punkig bis liedhaft rockig, orchestral bombastisch bis
symphonisch zart, dark-wavig/metallen bis cineastisch-episch, hier energiegeladen laut,
dort sphärisch sanft – alles dabei.
„Innenfrost“ knüpft nicht nur dem Namen nach an die Gedichte des Lyrikbandes an: Die Texte und Sujets der Songs haben eine lyrisch-persönliche Note, widmen sich offensiv und intensiv, mal zart, mal wütend, dem gewachsenen zwischenmenschlichen Erleben, den eigenen Gefühlen und Stimmungen, aber auch Gedanken insbesondere zu Politik und Natur – natürlich nicht gänzlich ohne eine gewisse ausdrucks- und positionsstarke Punk-Attitüde mit Blick auf die Gesellschaft und Mitmensch …
Und Eugen ist Eugen ist Eugen: Seine unvergleichliche Stimme, mithin dieser strahlende
Tenor-Gesang und die großartige Akzentuierung, seine in Ton gegossene Wut und Kraft,
Enttäuschung und Freude, tragen das Rock- und das Symphonic Album – mit Eigensinn,
Charme und Charisma. Seine Texte haben ein Kennzeichen: Sie sagen was ist, benennen
geradezu und direkt die Dinge – ob es um die großen Fragen der Zeit oder den Schmerz einer unglücklichen Liebe geht.
Eugen solo heißt nicht Eugen ohne Mitstreiter und Kolleginnen: Alle Texte stammen von
Eugen Balanskat, mit Ausnahme der Vertonung des Georg Heym-Gedichts „Gegen Norden“.
Auch die Kompositionen kommen aus seiner Feder: beim Rockalbum teilweise zusammen mit dem Skeptiker (seit 2017), Gitarristen, Songwriter und Produzenten DOMINIK GLÖCKNER, der zudem alle Gitarren und Bässe spielte, die Drum-Arrengements übernahm und für die technische Editierung der gesamten Produktion verantwortlich ist; beim Symphonic Album größtenteils zusammen mit der Komponistin, Cellistin und Pianistin GILLIAN BANE, die Klavier, Cello und Klarinette einspielte. Ihre Erfahrung in klassischer Musik kombiniert mit ihrer Passion für Cinematic Music und Symphonic Metal hinterlässt eine deutliche Handschrift auf dem Album und führt zu überraschenden wie bezaubernden Songs.
„Trauer der Möwe“ (Symphonic) hat die Sängerin, Komponistin und Schauspielerin VAILE
FUCHS zu einem Text von Eugen komponiert und eingesungen.
Hinzu kommt eine illustre Runde an kongenialen Duett-Partnern und -Partnerinnen: Auf dem Rockalbum TIGER LILLY MARLEEN (BONSAI KITTEN) bei „Jede Narbe“, „Madeleine“ und „Selten“, INES FALCKNER bei „Sommerduft“, LIZAL (DIE DORKS) bei „Ökodiktatur“; auf dem Symphonic Album JÉRÔME REUTER (ROME) bei „Innenfrost“ und „Wir zogen fort“.
Diese Zusammenarbeit mit verschiedenen Leuten – nicht alle stammen aus dem Punk-
Universum – spiegelt sich in verblüffenden Songs, Liedern und Tracks, wagt und probiert andere Stilebenen, lässt unerwartete Genrenutzungen zu. Gerade beim Symphonic Album gilt es, sich auf Eugens Stimmgewalt in so noch nicht gehörter Umgebung und Soundlandschaft einzulassen! „Ja, das ist schon sehr anders als die Skeptiker-Sachen, das soll aber auch so sein“, sagt Balanskat.
INNENFROST – DAS ROCKALBUM
Der Rockalbum-Opener „Kontakt“ startet recht eigentlich mit vertrauten Tönen – also
energetischem Rock – und mit einem fast verschmitzten Refrain in Sachen Liebes-Anbahnung.
„Einsicht“ steht unter dem Eindruck eines Virus. Das Lyrische Ich der Lieder setzt sich mit
einigen Damen auseinander, nicht nur mit Marie („Kontakt), sondern auch mit „Madeleine“. „Es läuft etwas schief hier, in unserem Land“: „Der Schoss“ widmet sich der rechten Gefahr: „Sie sind noch nicht viele, wir halten sie auf, / Die Mehrheit sind wir und das soll jeder seh’n“. „Jede Narbe“ ist ein besonderes Liebeslied, dass durch das Duett mit Tiger Lilly Marleen (Bonsai Kitten) eine schmerzlich-schöne Farbe erhält. Mit Meeresrauschen und Wellenbrechern eröffnet und schließt der flotte Rocker „Wohlgesonnen“.
Wir drehen die Scheibe um und hören mit „Unzufrieden“ einen dynamisch-punkigen Song über das Ungemach mit der ungnädigen Damenwelt („Hast du ein unzufriedenes Weib, / Fliehe mit wehenden Fahnen / […] Geh und mach dein eigenes Ding“). Regelrecht poppig kommt „Sommerduft“ daher (mit Ines Falckner) – ja, es geht um Liebessehnsucht! „Ökodiktatur“ hingegen haut drauf und fasst unseren Umgang mit dem Planeten Erde ins Auge: Sobald es wütend wird, klingt doch der Skeptiker-Sound durch – mit Verstärkung durch Lizal (Die Dorks), die dem eine neue Nuance hinzusetzt. „Selten“ beschäftigt sich durchaus mit dem Altern – fair enough, der Interpret ist Ü60: „Selbst wenn man es wünscht, vieles bleibt nicht erspart“. Mit „Schizophrenie“ kommt ein schöner Kracher zum Schluss des Rock Album.
INNENFROST – DAS SYMPHONIC ALBUM
Cello-Klänge, dunkler Bombast, getragen die Stimmung, Dark Rock/Metal-Anmutung: „Wir
zogen fort“ läutet das Symphonic Album ein. Jérôme Reuter (ROME) ist am Gesang mit dabei, es ist nicht die erste Zusammenarbeit der beiden Goldkehlchen („Hinter den Mauern der Stadt“, 2019; „Der Rufer in der Wüste schweigt“, 2021). Ungewöhnlich geht es weiter: Vaile Fuchs besingt, eingebettet in Streicher, die „Trauer der Möwe“ nach einem Balanskat-Text. Auffällig nicht nur bei dieser Ballade ist der Topos des Meeres: Motive des Nordens und der Nautik – Wellen, Schiffe, Stürme, Ufer – sind einigen Songs der beiden „Innenfrost“-Platten eigen. Ein Juwel dieses Albums ist der „Filmhit“. Es regnet. Es regnet ununterbrochen, Filmorchestersound, ein Tenor der 20er/30er Jahre des letzten Jahrhunderts hebt zu singen an: „Lieb es, hass es, quäl dich, lass es, / Du wirst die Welt nie versteh ́n. / Suchen – gehen, finden – sehen, / All deine Sorgen vergeh ́n.“ Die Bilder dazu müssten schwarz-weiß sein … Der Titeltrack „Innenfrost“ ist ein Klavierballade mit Streichern, Jérôme begleitet den Refrain. In ähnlicher Fasson erklingt das „Amsellied“ mit wunderschönen mehrstimmigen Parts.
Die zweite Seite des Symphonic Album beginnt orchestral mit „Vergeigt“ und beschäftigt sich, wie schon „Ökodiktatur“ auf dem Rockalbum, mit unserem Versagen gegenüber der Natur: „Wir führen immer Krieg gegen uns und die Natur, / Es gibt keinen Sieg, sondern Verlierer nur.“ Hier zeigt sich in Komposition und Arrangement deutlich die symphonische Feder von Gillian Bane mit ihrem Faible für Cinematic Music. Der Song wäre als Film, obgleich nur 2:16 Minuten lang, ein dramatisches Endzeit-Epos! Dynamisch schließt sich „Leckgeschlagen“ an – entgegen der Diagnose im Titel, die nichts Gutes ahnen lässt, hören wir ermutigende Zeilen: „Alle an die Ruder, noch fehlt es nicht an Kraft, / Und gemeinsam haben wir, schon so manches geschafft, / Die Sonne sie brennt heiß, und ein Leck ist im Boot, / Nein wir geben nicht auf, selbst in allergrößter Not.“ Atmosphärisch dicht, umwoben von einer nebligen Soundlandschaft, rezitiert Balanskat den Heym-Text „Gegen Norden“: Georg Heym (1887–1912), einer der wichtigsten Lyriker des frühen Expressionismus, arbeitet sich in diesem Gedicht an Ungewissheit,
Vergänglichkeit und einem Gefühl von Kälte ab. Ein Gefühl von Kälte? Ja, an so etwas wie:
Innenfrost. Er nutzt dazu maritime Sprachbilder, wie auch Eugen sie gern verwendet. Die
vergebliche Suche und unerfüllte Sehnsucht desjenigen, der unterwegs ist, spiegelt sich zudem in der Ballade „Unangekommen“. Die letzten Grüße dieses Albums sind ein imponierender „Abschied“ – mit angemessenem Pathos in Aufbau und Orchestrierung.
WO EUGEN SINGT, DA LASS DICH RUHIG NIEDER
Innenfrost. So haben wir Eugen Balanskat, den Skeptiker Eugen B, noch nicht gesehen,
gefühlt und gehört. Ein Fazit zu diesen beiden an Überraschungen und uner- und
ungehörten Klängen und Liedern reichen Alben: Bleib skeptisch und offen für Neues! Wo
Eugen singt, da lass dich ruhig nieder!
Text: Anne Blaudzun