Dienstag 1. April 2025

„Gut Holz“: Was steckt hinter dem neuen Album von Drei Meter Feldweg? 

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1. Der Titel „Gut Holz“ ist ein sehr deutscher Begriff, der viele Assoziationen weckt. Was hat euch dazu inspiriert, diesen Titel für euer neues Album zu wählen und welche Bedeutung hat er für euch? 

Tatsächlich hat er auch für uns eine ganz wichtige Bedeutung: Vor jedem Konzert klopfen wir uns hinter der Bühne im Kreis auf die Schulter und wünschen „Gut Holz“. In erster Linie ist das ja ein Glücksgruß, der aus dem Kegelsport kommt. Wir wollten wieder etwas Persönliches als Albumtitel nehmen. Beim letzten Mal haben wir „Durak“ ausgewählt, weil wir das Spiel im Studio und Backstage so viel gespielt haben. Und nach vielem Hin und Her kamen wir dann darauf, unseren Gruß auf die Welt loszulassen. Denn auch die Welt kann Glück gerade mehr als genug gebrauchen. Wir haben dann weiter überlegt, welche Assoziationen es noch zu „Gut Holz“ geben kann. In unserer Fanbox sind jetzt so Sachen wie Streichhölzer (aus Holz logischerweise) oder Samen für einen Klimabaum (Gutes Holz) enthalten, um dieses Thema noch etwas weiterzuspinnen und aufzugreifen. 

2. In euren Texten greift ihr aktuelle gesellschaftliche Themen auf. Wie wichtig ist es euch, mit eurer Musik eine politische Botschaft zu vermitteln und zum Nachdenken anzuregen? 

Die aktuelle Weltlage lässt es kaum zu, sich nicht einzumischen, wenn man ein kleines Sprachrohr hat, das Menschen zum Nachdenken anregen kann. Selbst auf unserem Album ging es schon in einem Song um eine Art klimagemachten Weltuntergang, spätestens seit dem zweiten Album sagen wir auch immer etwas Politisches. Das muss nicht im Fokus stehen und muss nicht immer die Hauptsingle sein, schließlich wollen wir immer noch in erster Linie Spaß verbreiten und die Leute sollen voller Freude auf unsere Konzerte kommen und unsere Musik hören. Trotzdem hören uns ja ein paar Menschen zu, sodass wir wenigstens versuchen wollen, eine Art moralischer Kompass oder Vorbild zu sein, ohne den Moralapostel spielen zu müssen. 

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3. Ihr habt euch in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Wie würdet ihr die musikalische Entwicklung von „Durak“ zu „Gut Holz“ beschreiben und welche neuen Einflüsse sind eingeflossen? 

Musikalisch ist gar nicht so sehr ein neuer Musikstil eingeflossen, sondern eher eine Stimmung. Während der Aufnahmen sagte unser Produzent irgendwann den Satz: Man hört, dass die Songs 2024 geschrieben wurden. Ich glaube, das trifft es ganz gut. Wir sind für die Aufnahmen wieder bei Flo Nowak gewesen, die Qualität der Aufnahmen ist also nach wie vor hervorragend und am Ende machen wir auch immer noch Punkrock. Aber ohne es aktiv zu forcieren, sind deutlich weniger „Spaß- und Trinklieder“ auf dem Album enthalten, um nicht zu sagen: Gar keine… Es wurden welche geschrieben, haben aber nicht auf diese Albumharmonie gepasst. Somit ist Gut Holz schon ein ganzes Stück ernster, aber sicherlich dadurch auch spannender als die Vorgänger. 

4. Songs wie „KROKODILSTRÄNEN“ und „WOLKEN IM PARADIES“ thematisieren düstere Zukunftsszenarien. Was hat euch dazu inspiriert, diese Themen in eure Musik einzubringen? 

Man braucht nur jeden Tag in die Tagesschau zu schauen, um ausreichend inspiriert zu werden. „Krokodilstränen“ stellt das heuchlerische Weinen, die Opferrolle dar, in die sich populistische Parteien wie die AfD, Menschen wie Donald Trump, vielleicht auch ein Stück weit das BSW, immer wieder inszenieren, um irgendwie an Sympathien zu kommen. Es ist gruselig, dass eine offen rechtsextreme Partei in Deutschland über 20% aller Wählerstimmen bekommen kann. Im Song ist das sogar aus Ich-Perspektive des Parteifunktionärs geschrieben, ohne eine Wertung reinzubringen. Wir wollten aber mit dem Song verdeutlichen, dass vieles nur Show ist und dass es andere, finstere Absichten gibt. 

Wolken im Paradies ist noch viel globaler gefasst. In den Song kann man sowohl den Klimawandel, politische Zäsuren oder auch einfach den eigenen kleinen Kosmos hineininterpretieren. Allgemein herrscht gerade das Gefühl, auch innerhalb der Band und unserem Umfeld, dass alles schlimmer, alles schwieriger wird. Politische Herrscher ordnen die Welt neu, der Klimakatastrophe wird keine Beachtung geschenkt, die ersten Leute erkennen das vielleicht, aber der letzte Depp tanzt noch im Regen, wie es im Text heißt. Blöd nur, wenn der letzte Depp ein Mensch mit extrem viel Macht ist. 

5. Ihr habt mit „Fünf kleine Kakteen“ eine sehr persönliche Geschichte erzählt. Wie wichtig ist es euch, eigene Erfahrungen in eure Musik einfließen zu lassen? 

Der Song ist tatsächlich deutlich weniger persönlich, als er scheinen mag. Gerade im Bereich von persönlichen und Liebesgeschichten versuchen wir, bis auf ein paar wenige Ausnahmen, möglichst keine allzu persönlichen, eigenen Geschichten einzubauen. Das hat vor allem damit zu tun, dass die meisten Texte von Hendrik geschrieben werden, aber Benno singt sie anschließend. Jemand anderem die eigenen Worte in den Mund zu legen, ist eher schwierig. Was auf jeden Fall passiert, sind eigene Erfahrungsfetzen, die dann verfremdet und verallgemeinert werden, um sie in einen Song zu basteln. Die Kakteen sind also frei erfunden, aber wir versuchen uns beim Texten in die Lage von jemandem hineinzuversetzen, der etwas ähnliches erlebt oder erlebt hat. Die Pflanzen stehen also metaphorisch für das Leben mit dem Ex-Partner, dem man nachtrauert und das man nicht überwunden hat – oder halt für Gegenstände, die sich nach der Trennung noch im Haus befinden. Man bringt es nicht übers Herz, sie wegzuschmeißen. 

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6. Wie habt ihr es geschafft, trotz der ernsten Themen, die ihr in euren Songs ansprecht, einen positiven und energiegeladenen Sound zu erzeugen? 

Der Sound, für den wir stehen wollen, ist schon seit Bandgründung relativ fest zementiert. Wir orientieren uns an aktuellen, modernen Produktionen, etwa an Platten von den Hosen oder der Broilers. Seit „Gewinner“, allerspätestens seit „Durak“, gelingt uns das ganz hervorragend, was auch an Flo Nowak liegt, bei dem wir seit Durak aufnehmen. Flo hat genau diesen Sound perfektioniert und wir kriegen allerhöchste Qualität aus den Songs herausgeholt. Daher müssen wir nur unsere Songs so schreiben, wie wir es immer getan haben. Der Feinschliff folgt dann im Studio, woraufhin kaum noch Korrekturen nötig sind. Es werden exakt die Hebel umgelegt, die das Maximum rausholen, ohne den Song dabei grundlegend zu verändern. Das ist eine sehr gute Arbeitsweise, die uns extrem entgegenkommt und dabei noch kurzweilig und spaßig ist. 

7. Ihr habt eine große Fangemeinde. Was bedeutet es euch, dass eure Musik so viele Menschen erreicht und wie geht ihr mit dem Erfolg um? 

Wir freuen uns wahnsinnig über jeden und jede Einzelne, die unsere Musik hören, kaufen und zu unseren Shows kommen. In den letzten Jahren sind es immer mehr Menschen geworden, das macht uns sehr stolz. Vor allem, weil wir alles von der Pike auf mitgemacht haben und in den kleinsten Clubs unter wildesten Bedingungen gespielt haben. Dass das alles ein bisschen größer wird und wirklich viele Leute an unserer Musik Interesse haben, macht uns unendlich dankbar. Das kann natürlich auch jederzeit wieder anders werden, daher kann man auf die Frage, wie wir damit umgehen, wahrscheinlich am ehesten antworten: Wahnsinnig dankbar sein, genießen, die guten Momente aufsaugen und für immer abspeichern. 

8. Ihr spielt vier exklusive Clubshows zur Albumveröffentlichung. Welche Rolle spielt die Live-Performance für euch? Wie plant ihr, die Songs von „Gut Holz“ live zu präsentieren? 

Also zum Präsentieren der neuen Songs lässt sich sagen, dass wir erstmal wieder proben müssen. Das haben wir länger nicht getan, weil wir ja viel live gespielt haben. Nun gehts aber vor der Release-Tour erstmal öfter in den Proberaum. Da probieren wir dann aus, welche Songs wir gut live umgesetzt kriegen, welche eher weniger. Daraus bauen wir dann die Setliste, wobei unser Plan ist, möglichst viel vom neuen Album live zu spielen, aber auch ältere Songs, die die Leute schon besser kennen, nicht zu vernachlässigen. Mal sehen, was das wird! 

Liveauftritte sind immer die wichtigste Werbung für eine Band und zumindest in unserer Größe auch die Haupteinnahmequelle, das muss man ganz klar sagen. Plattenverkäufe haben immer mehr abgenommen und am Streaming verdient man kaum Geld. Um die Band also in dem Ausmaß wie jetzt am laufen zu halten, hoffen wir, dass viele Leute zu unseren Shows kommen. Gleichzeitig macht es ja auch wahnsinnig Spaß, vor Menschen aufzutreten. Man erhält die Anerkennung, ein Grund, weswegen die meisten sich vermutlich auf eine Bühne stellen. Und gleichzeitig können wir dem Publikum eine Freude mit der Musik machen und einen Platz schaffen, wo die Leute für ein paar Stunden den Alltag vergessen. Geht´s noch besser? 

9. Wie seht ihr die Zukunft von Punkrock in Deutschland? 

Sehr gute Frage, schwer zu beantworten! Vermutlich hängt das von äußeren Umständen ab. Wenn alles gut läuft, ist die Subkultur Punk/Punkrock mit allen Facetten weiterhin ein Lebensstil, der mittlerweile weg vom “No Future” und “Gegen das System”-Gedanken und hin zu einer vernünftigen Lebenseinstellung und einem Herz am rechten Fleck geworden ist. Gegen das System sind jetzt andere, mit denen wir uns auf keinen Fall identifizieren möchten. Musikalisch gibt es bestimmt spannende neue Einflüsse, wie z.B. das Mischen verschiedener Stile mit Punkrock, wie ja z.B. Kraftklub das schon seit 15 Jahren praktiziert. Vielleicht auch mehr elektronische Einflüsse oder das Aufgreifen alter Songs in neuen Remixes, wie gerade bei TikTok groß im Trend. Da gibt es bestimmt spannende Kombinationen. 

Wenn´s jedoch doof läuft, gibts bald eine Regierung, die solche, vor allem linken, Subkulturen, Jugendzentren, Bewegungen nicht mehr in dem Maße zulässt, wie wir es genießen durften. Wir hätten nicht gedacht, sowas mal sagen zu müssen, aber mittlerweile muss man in Deutschland wirklich aufpassen, dass es nicht mit der nächsten oder übernächsten Regierung in eine katastrophale Richtung läuft, die den Punkrock zum verbotenen Underground werden lässt. 

Wir hoffen eher auf ein allgemeines Punkrockrevival, dann können wir unsere Musik vor noch mehr Leuten spielen, die sich dafür interessieren. 

10. Welche Botschaft möchtet ihr mit „Gut Holz“ an eure Fans senden? 

Die Botschaft steckt schon im Titel: Wir wünschen unseren Fans und sowieso allen Menschen und dieser Welt in diesen Zeiten: Gut Holz, viel Glück und toi, toi, toi. 

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Ich möchte mich ganz herzlich für das spannende Gespräch bedanken. Eure Einblicke in die Entstehung von „Gut Holz“ und eure Gedanken zur aktuellen Musikszene haben mich sehr inspiriert.

„Gut Holz“ klingt schon jetzt vielversprechend. Ich freue mich darauf, das Album genauer zu erkunden und eure neue Musik live zu erleben. CK

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