Dies ist KRATZEN III – und es fühlt sich an, als habe die Band mit ihrem dritten Album ein Ziel erreicht, das ein Endpunkt und gleichzeitig ein Anfang ist.
Aber mal langsam: Melanie Graf, Stefanie Staub und Thomas Mersch sind seit jeher zu dritt und sind Kratzen aus Köln. Sie spielen die Musik eines Genres, das sie selbst erfunden haben: Krautwave. Krautig ist die Freude an der Repetition. Wavig ist die nächtliche Kühle. Dass Joy Division immer wieder erklärten, sie seien von deutschen Krautrockern beeinflusst worden, ergibt richtig Sinn, wenn man Kratzen hört.
KRATZEN III wurde, wie schon das Album zuvor, von Olaf Opal produziert, der mit seinen Arbeiten für The Notwist, International Music und vielen mehr gezeigt hat, dass er sich darauf versteht, den speziellen Klang einer Band herauszuarbeiten. In diesem Fall wird der Sound von den drei Menschen von Kratzen bestimmt. Weil sie sehr genau wissen, was sie nicht wollen. Und immer besser darin werden, gemeinsam zu bestimmen, was richtig super ist.
KRATZEN
III
VÖ: 17.01.2025
Genre: Alternative
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KRATZEN III ist das Album, mit dem sich für die Band ein Kreis schließt, indem sie für sich das perfekte Dreieck definiert. Gut möglich, dass sich Pythagoras jetzt im Grab umdreht, aber es ist so. Um das ein wenig zu erläutern: Vor KRATZEN III gab es, logisch, KRATZEN und KRATZEN zwei. Zwei Alben, mit denen die Band eine Struktur entwickelte, die zweierlei ist: superfest und superlocker. Superfest sind die Bandregeln. Eine davon: Das Schlagzeug wirbelt nicht. Oder: keine Soli. Oder: Die Texte erzählen keine Geschichten. Und, ganz wichtig: Bei Kratzen steht niemand vorne. Superlocker ist die Aufteilung: Instrumente und Gesänge wechseln. Wer was macht, entscheidet die Musik des Zufalls.
Als sich die Band im vergangenen Jahr nach vielen gefeierten Konzerten im Zuge von KRATZEN zwei an die Arbeit zu KRATZEN III machte, stand die Frage im Raum: Wie gelingt in einem solchen Setting Innovation? Denn es war klar: III darf zwar nicht wie zwei sein. Aber eben auch: Die Struktur bleibt bestehen, die Regeln gelten.
Die Lösung: Das Dreieck bewegt sich, ohne dabei seine Perfektion zu verlieren. Wie das geht und wie das klingt, zeigen die Lieder von KRATZEN III – einer anderen Kratzen-Platte, beheimatet im gleichen Koordinatensystem, aber mit zusätzlichen Dimensionen. Die Musik ist offener, ohne dass die Band die Strukturen aus der Hand gibt. Die Texte besitzen eine klare, poetische Sprache. Die Instrumente stellen sich in den Dienst der Sache. In den Dienst eines Sounds, den Kratzen erfunden haben. Derihnen gehört. Und den sie nun selbstbewusst in Nuancen verändern. Kratzen III ist weiterhin Krautwave. Aber die Band steckt nicht in einer selbstgebauten Schublade. Sie entfaltet sich.
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Mehr InformationenDas Album beginnt mit „Reichtum“, und da ist dann gleichmal eine Fuzz-Gitarre zu hören, auf der echte Akkorde gespielt werden. So etwas gab es im Kratzen-Kosmos noch nie, da reichen eigentlich ein bis zwei Saiten. Der Gesang, hier von Thomas Mersch, ist melodiös, und ist das am Anfang eine Strophe – und am Ende ein Refrain? Auch das wäre neu. „Kann denn Reichtum Sünde sein“ Erste Indizien.
Etwas später folgt „Nur so“, gesungen von Stefanie Staub, eingespielt mit Percussion- Elementen. Und wenn in (schon wieder!) einer Art Refrain die Gitarren dafür sorgen, dass sich das Lied öffnet, dann ist das… , ja, dann ist das Pop. „Nichts und alles“ ist das erste Stück der Kratzen-Geschichte, bei dem Melanie Graf allein den Gesang übernimmt – und der Musik eine neue Klangfarbe gibt, die an deutsche Wave- Heldinnen der frühen 80er erinnert, an Malaria! oder X-mal Deutschland. „Zu spät“, das letzte Stück der ersten LP-Seite, bietet wechselnde Gesänge und führt in Mittelteil eine Gitarrenmelodie ein, die sich am Ende in den Gesang webt. Bei „Echo“, gesungen von Stefanie Staub, spielen die Gitarren eine Form von Indierock. „Zeichen“ ist das erste Duett in der Kratzen-Geschichte: Stefanie Staub und Thomas Mersch singen gemeinsam. Sie hatten sich das vorher nie getraut, dabei geht das großartig zusammen. Das letzte Stück heißt „Flimmern“: Thomas Mersch singt zwar von Zweifeln, doch zeigen die Standtrommeln, die das Drumkit ergänzen, was hier wirklich vor sich geht: Kratzen stellen sich mit diesem Stück komplett neu auf. In einer geraden Linie, die das perfekte Dreieck ersetzt. Wie das wohl weitergeht, auf KRATZEN vier…?
Aber erst einmal steht die Drei: Zwölf Songs, die zeigen, welche subtile Dynamik entstehen kann, wenn drei Menschen exakt wissen, welche Musik sie im Kontext dieser Band spielen wollen: Stefanie, Melanie, Thomas. Schlagzeug, Bass, Gitarre. Und auf III ein bisschen mehr.
Text: André Boße
KRATZEN sind:
Melanie Graf (Bass, Gitarre, Orgel, Percussion, Gesang)
Thomas Mersch (Gitarre, Bass, Gesang)
Steffi Staub (Schlagzeug, Gesang)
KRATZEN im Netz:
www.instagram.com/kratzen_krautwave