Donnerstag 14. November 2024

Mit Musik gegen das Schweigen: Pascal Blenke im Gespräch

Meistgelesene Artikel

- Anzeige -spot_img
- Anzeige -spot_img

1. Was hat dich dazu bewogen, so ein persönliches und sensibles Thema wie sexuellen Missbrauch in einem Song zu verarbeiten?

Musik ist für mich das beste Mittel, um emotionale Erlebnisse zu verarbeiten. Beim Texten habe ich zusätzlich die Freiheit, selbst zu bestimmen, wie klar ich Themen anspreche. Auch über den Missbrauch habe ich bereits mehrere Texte und Melodien geschrieben, diese jedoch nie veröffentlicht oder so abgeändert, dass der eigentliche Inhalt nicht direkt erkennbar ist.

2. Warum hast du dich für die Musik als Medium entschieden, um über diese Erfahrung zu sprechen?

Musik gibt mir das stärkste Gefühl von Selbstwirksamkeit. Das Schreiben, Veröffentlichen und Performen von Songs erfüllt mich zutiefst. Deshalb war es für mich nur konsequent, auch für diese persönliche Message die Musik als Medium zu wählen.

3. Welche Botschaft möchtest du mit “Mein Versteck” vermitteln? Was soll der Song bei den Hörern bewirken?

Ich habe diesen Song nicht geschrieben, um eine bestimmte Botschaft zu vermitteln. Er ist für mich ein persönlicher Schritt, um offen über meine Erfahrung zu sprechen und die Last des Schweigens abzulegen. Das mag egoistisch klingen, aber für mich fühlt es sich bereits wie eine Befreiung an. Im nächsten Schritt werde ich mich dann damit beschäftigen, welche Botschaften ich vermitteln möchte.

4. Das Thema sexueller Missbrauch ist immer noch ein Tabu. Warum ist es so wichtig, darüber zu sprechen und dieses Schweigen zu brechen?

Es ist wichtig, darüber zu sprechen, da es jeden Tag in Deutschland passiert und die Betroffenen ein Leben lang begleitet. Außerdem findet auf diese Weise eine Sensibilisierung statt, die verhindern kann, dass man selbst zum Täter wird und dabei hilft, früher zu erkennen, wenn jemandem etwas ähnliches passiert. Dieses Problem kann nur gemeinsam in der Gesellschaft bekämpft werden.

5. Wie hat das Schreiben und Aufnehmen dieses Songs dir persönlich bei der Verarbeitung deiner Erfahrungen geholfen?

Es hat mir enorm geholfen, weil ich das Thema nun nicht mehr nur mit schmerzhaften Erinnerungen, sondern auch mit einem gelungenen, eigenen Song verbinde. Durch das intensive Reflektieren habe ich zudem Klarheit darüber gewonnen, was geschehen ist, und die passenden Worte dafür gefunden.

6. Wie hast du auf die ersten Reaktionen auf den Song reagiert? Gab es bereits Rückmeldungen von Betroffenen?

Ich habe den Song bisher einmal bei einem kleinen Konzert im Allgäu gespielt und die Reaktionen waren genau so, wie ich es mir gewünscht hatte – nicht mitleidig, sondern einfühlsam und ermutigend. Rückmeldungen von Betroffenen habe ich bisher noch nicht erhalten, aber vielleicht kommen diese nach der Veröffentlichung.

7. Was erhoffst du dir von diesem Song? Möchtest du andere Betroffene ermutigen, sich Hilfe zu suchen?

Ja, das ist ein Ziel. Gleichzeitig möchte ich aber auch aufzeigen, welche inneren Hürden viele Betroffene davon abhalten, sich zu öffnen oder rechtliche Schritte zu gehen. Eine der größten Ängste ist, nicht ernst genommen zu werden, weil es oft schwer zu beweisen ist. Hinzu kommt die Scham, die viele Betroffene belastet.

8. Dein neuer Song ist ein Vorbote deiner kommenden EP. Kannst du uns schon etwas darüber verraten? Wird es weitere persönliche Songs geben?

Es ist der rote Faden der EP, persönliche Geschichten zu erzählen. Dabei sind es nicht nur schwere, sondern auch leichte und positive Themen, sodass die EP viele meiner musikalischen und privaten Facetten zeigt.

9. Wie siehst du deine musikalische Zukunft? Planst du weitere Projekte, die sich mit sozialen Themen beschäftigen?

Ja, eines meiner größten aktuellen Projekte ist es, Songwriting-Workshops an Schulen zu geben, um den herkömmlichen Musikunterricht zu bereichern. Außerdem liegt mein Fokus im nächsten Jahr auf den Konzerten mit meiner Band – darauf freue ich mich besonders.

10. Welche Botschaft möchtest du an Menschen richten, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben?

Du bist nicht Schuld und warst auch nicht naiv! Diese Erkenntnis ist entscheidend. Suche dir professionelle Hilfe, z.B. unter https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/startseite

11. Wie hat deine Zeit beim Bundesjazzorchester dich als Künstler geprägt?

Einerseits hat es mir gezeigt, dass der Jazz einen wesentlichen Teil meiner Künstlerpersönlichkeit ausmacht. Andererseits wurde mir bewusst, dass ich hauptberuflich in meiner eigenen Musik besser aufgehoben bin. Zudem war es ein großes Geschenk, so viele großartige Musiker*innen aus verschiedenen Regionen kennenzulernen. Die Konzerte haben mir bestätigt, dass ich mich auf großen Bühnen ebenso zuhause fühle wie auf kleinen.

12. Welche Rolle spielt Musik in deinem Leben?

Musik ist mein Beruf, mein größtes Hobby, meine Selbsttherapie und mein Sprachrohr in die Öffentlichkeit. Sie ist ein wesentlicher Teil meines Lebens, aber nicht der wichtigste.

13. Welche anderen Künstler inspirieren dich?

Jamie Cullum wegen seiner Energie und Spielfreude auf der Bühne. Lizzy McAlpine wegen ihrer intimen Songs. Bruno Mars wegen seiner Fähigkeit, sich ständig neu zu erfinden.

13. Welche Botschaft möchtest du der jüngeren Generation mitgeben?

Don’t try to be cool, be warm!

“Mit Musik gegen das Schweigen” – dieser Titel trifft den Nagel auf den Kopf. Vielen Dank für deine Offenheit und deinen Mut, dieses wichtige Thema in die Öffentlichkeit zu tragen. Dein Interview war ein voller Erfolg und wird sicherlich vielen Menschen Mut machen. CK

PASCAL BLENKE
Mein Versteck
Label: RecordJet 
VÖ: 25.10.2024
Genre: Pop
Bei iTunes kaufen

Auf Apple Music anhören
- Anzeige -spot_img

Neuste Artikel