Im Namen der Barmherzigkeit nimmt die steirische Bauernfamilie Kellerknecht jedes Jahr ein Pflegekind auf. So kommt die knapp dreijährige Steffi in den Siebzigerjahren auf den abgelegenen Bauernhof. Zwischen den anderen Pflegekindern lernt sie schnell, dass sie für ihre kargen Mahlzeiten und das Etagenbett in der Dachkammer hart schuften muss, und zwar barfuß. Ab ihrem neunten Lebensjahr wird Steffi vom Bauern regelmäßig missbraucht. Mit fünfzehn ist sie schwanger und wird in ein Kloster abgeschoben, wo sich barmherzige Nonnen um ledige junge Mütter kümmern. Steffi will ihrem Kind eine bessere Kindheit bieten und macht sich auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter. Doch diese hat sie direkt nach der Geburt verstoßen und verstößt sie wieder.
Hera Lind gibt mit ihrer Geschichte über Steffi stellvertretend Tausenden Kindern eine Stimme. Denn Steffis Schicksal ist kein Einzelfall.
Systematisch wurden in Deutschland, Österreich und Schweiz seit dem 17. Jahrhundert bis in die 1980er Jahre Kinder verarmter Eltern oder Pflegekinder aus Kinderheimen in der Landwirtschaft auf Bauernhöfen als Arbeitskraft eingesetzt. Schätzungseise jährlich fünf- bis sechstausend 5- bis 14-jährige Kinder schufteten unter menschenunwürdigen Verhältnissen auf Höfen in der Fremde. Sie wurden von der Pflegefamilie ausgebeutet, sozial ausgegrenzt, bekamen nur karge Mahlzeiten, schliefen in Kellern oder Scheunen, wurden misshandelt und sexuell missbraucht. Bekannt war die brutale Kindheit im kleinbäuerlichen Milieu schon lange. Doch Behörden, Politik und Justiz sahen weg. Erst seit vierzig Jahren werden die Pflegekinder angehört. Doch bis heute steht eine grundlegende Aufarbeitung ihrer Schicksale aus.
Hera Lind
Im Namen der Barmherzigkeit
Verlag: Knaur
Veröffentlichung: 04.11.2024
ISBN: 978-3-426-52837-2
Preis: 12,99 €
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